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Zu Fuß ins Alpenvorland

Eine Patchwork-Kurzgeschichte von Lena Krupicka (kursive Textabschnitte) und mir.

Für das Wochenende sind deutlich zweistellige Temperaturen angekündigt, der Oktober zeigt sich nochmal von seiner warmen und sonnigen Seite. So beschließen er und eine Freundin, am Sonntag eine Wanderung durch das Isartal zu machen. Der Startpunkt ist schnell gefunden, die Isarbrücke bei Grünwald. Über ein mögliches Ziel haben sie sich keine weiteren Gedanken gemacht.
Der Nebel lässt noch alles in einem feuchten Grau verschwinden, als er sich um sieben Uhr morgens auf den Weg zur Bahn macht. Die S-Bahn ist leer, nur wenige Menschen sind um diese Uhrzeit unterwegs. Er erreicht nach zwanzig Minuten Fahrt die Station Höllriegelskreuth, den geplanten Treffpunkt. Doch von seiner Begleiterin ist nichts zu sehen.

Sie schält sich aus der Bettdecke, gut geträumt hat sie nicht. Irgendwie bereitet ihr der kommende Tag Sorgen, sie musste beim gleichen Vorhaben vor ein paar Tagen umkehren. Es war zu nass und kalt gewesen. Sie hatte, naiv wie sie war, keine regendichte Kleidung mitgenommen. Hastig zieht sie sich an. Sie will ihren Begleiter nicht warten lassen.
Als sie erstmals die Füße vor die Tür setzt, beruhigt sich ihr negatives Bauchgefühl wieder. Die Luft ist frisch und angenehm, Die Klamottenschichten halten sie warm. Zügig führen ihre Schritte zum Bahnhof. Ungewöhnlich viele Menschen für einen Sonntagmorgen. Das schlechte Gefühl von vorhin meldet sich wieder: irgendetwas stimmt hier nicht. Sie steigt die Stufen zum Bahnsteig hinauf, schaut auf die Anzeigetafel: Zwei S-Bahnen fallen aus, die nächste kommt in vierzig Minuten. Murmelnd erzählt eine wartende Frau, dass sie schon seit einer Stunde hier stünde, die angekündigten S-Bahnen fallen immer wieder aus. Zwei Menschen mit Koffern rufen gerade ein Taxi. Sie verflucht sich, dass sie ihr Handy zuhause hat liegen lassen. So kann sie ihren Begleiter nicht kontaktieren. Es muss irgendwo bei ihrem Bett verschollen sein. Sie hatte nicht mehr die Zeit gehabt es zu suchen.

Das Grundgerüst ist erhalten, den Rest hat sich die Natur geholt.

Es ist kalt auf dem Bahnsteig in Höllriegelskreuth. Links ist der Bahnhofsvorplatz, der diesen Namen im Grunde nicht verdient hat, rechts liegen die ausgedehnten Gebäude eines großen Chemiekonzerns. Da seine Begleiterin auch auf ihrem Handy nicht erreichbar ist, besinnt er sich auf die Strategien aus der Zeit vor Erfindung des Handys. Er studiert den Fahrplan und sieht, dass er der nächsten S-Bahn eine Station entgegen fahren kann. So erspart er sich das Warten an diesem trostlosen S-Bahnhof. Weiterlesen

Schwabing – Nasskalte Gedanken

Jetzt im Sommer zeigt sich das Leben in und um Schwabing in seinen zahlreichen Facetten. Auf den Plätzen im Viertel treffen sich Eltern und unterhalten sich, während die Kinder spielen. Die Cafés sind voll sonnenhungriger und kaffeedurstiger Menschen. Der Sonnenbrillenfaktor ist hoch, egal ob am Schwabinger Bach oder in der Leopoldstraße.
Doch wo ist dieses Schwabinger Leben eigentlich an einem verregneten Sonntag? Die Straßen sind leer, der Englische Garten ist verwaist. Während viele das Regenwetter für einen gemütlichen Tag in den den eigenen vier Wänden nutzen, habe ich einen Spaziergang durch Schwabing und den Englischen Garten gemacht.

Den Pflanzen tut der Regen gut. Trotz des grauen Himmels leuchten mir die bunten Blüten am Hohenzollernplatz gleich entgegen. Die beiden geöffneten Bäckereien scheinen der einzige Grund zu sein, dass hier überhaupt einige Leute unterwegs sind.

Juniregen am Hohenzollernplatz in München Schwabing

Noch leerer ist es im Englischen Garten. Heute werden keine Boote verliehen. Niemand möchte die Romantik eine Bootstour auf dem Kleinhesselhoher See genießen. Den wenigen Passanten, die vorbeilaufen, reicht das Wasser von oben aus.

Am Rande von Schwabing: Bootsverleih im Englischen Garten

Die Tische sind hochgeklappt – Kein Bier im Seehaus in Schwabing

Auch im Biergarten am Seehaus herrscht Ruhe. Wo bei schönem Wetter hunderte Besucher die Aussicht auf den Englischen Garten bei einem kühlen Bier genießen, sind heute dagegen nur einzelne Jogger unterwegs.
Ich schaffe es, eine Viertelstunde durch den Park zu laufen, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Obwohl es die ersten Regentropfen durch meinen Anorak geschafft haben, beginne ich langsam, das Wetter zu genießen. Der immer wieder aufkommende Wind weht mir Regentropfen ins Gesicht, die klare Luft riecht nach Natur. Wo sonst Horden an Fahrradfahrern, Joggern, Familien, Touristen, Biergartenbesuchern und Studenten unterwegs sind, da bin ich plötzlich alleine.
Kurz darauf an der Isar bemerke ich, dass scheinbar auch andere diese Momente der Ruhe genießen:

Alleine an der Isar.

An der Münchner Freiheit entdecke ich einen weiteren Mann, der isoliert vor dem Café sitzt. Ihm macht der Regen nichts aus. Er sitzt seit 1997 unbewegt da und beobachtet die vorbeilaufenden Schönheiten. Heute jedoch gibt er ein trostloses Bild ab. Die wenigen Passanten sind gehetzt, sie versuchen schnellstmöglich wieder ins Trockene zu gelangen. Der Monaco Franze verkörpert ein Bild von Schwabing, dass noch immer so besteht. Doch was macht dieses Viertel eigentlich aus, wenn ein einfaches Tiefdruckgebiet mit Niederschlag ausreicht, um das Flair von Schwabing so verblassen zu lassen? Sind es die Menschen?

Die Skulptur von Helmut Fischer, dem "Monaco Franze"

Ich glaube, es ist eine Symbiose von beidem. Schwabing ohne seine Bewohner und Besucher ist bedeutungslos. Doch auch umgekehrt benötigen die Schwabinger ihre Sehenswürdigkeiten, ihre Plätze und Straßen, den Englischen Garten und den Luitpoldpark, die Jugendstil-Häuser in der Ainmillerstraße und das Neubauviertel am Ackermannbogen. Schwabing ist auch im Regen schön!