An der Kreuzung von Elisabeth- und Nordendstraße und damit mitten in Schwabing liegt der Elisabethplatz. Benannt ist er nach Kaiserin “Sisi” von Österreich, die Jahre später und mit einem “S” mehr ausgestattet, filmische Bekanntheit erreichte. In direkter Umgebung des Elisabethplatzes finden sich zahlreiche bekannte Einrichtungen, wie das Theater “Schauburg”, das Gisela-Gymnasium und die Berufsschule für Kraftfahrzeugtechnik.
Im Süden schließt ein Umspannwerk der SWM an. An der dem Elisabethplatz zugewandten Fassade wurden in den 90er-Jahren zwei großflächige Grafitti angebracht.
Das eine widmet sich dem Thema Energie, es zeigt eine nackte Frau auf dem Schoß eines Frankenstein-Monsters, dahinter eine Gleislandschaft mit alten Münchner S-Bahnzügen. Das Ganze ist umrahmt von Robotern und wirkt im Gesamteindruck sehr düster:
Auf dem anderen Grafitti wurde der Elisabethmarkt an sich als Karikatur umgesetzt. Über dem wilden Treiben schwebt der Engel Aloisius und frohlockt:
In den Buden des 1903 eröffneten Marktes werden Lebensmittel und Blumen angeboten. An großen und kleinen Ständen gibt es frisches Obst und Gemüse, Wurst- und Fleischwaren, Fische aus allen Weltmeeren und viele weitere regionale und internationale Spezialitäten.
Es ist Vormittag. Die Passanten flanieren ohne Eile über den Platz und erledigen die Einkäufe des Tages. Ältere Damen genießen die Möglichkeit, an jedem Stand eine kurze Unterhaltung führen zu können. Junge Mütter mit Kinderwägen treffen sich in den kleinen Cafés auf ein modisches Getränk in der Sonne. Vor vielen der Buden stehen schon seit Jahrzehnten die selben Verkäufer, die meisten strahlen dennoch jeden Tag eine herzliche Freundlichkeit aus.
Vor einem der kleinen Obst- und Gemüsegeschäfte sitzt eine Frau und zeichnet mit geübter Hand farbige Skizzen von der farbenfrohen Mischung aus knallroten Tomaten, lila-weißen Auberginen, gelben Zitronen und rosa Knoblauchknollen. Es ist die Schwabinger Malerin und Künstlerin Elina Deberdeeva. Ich kenne sie aus meiner Arbeit, spreche ein wenig mit ihr. Sie ist genauso angetan wie ich von der Atmosphäre und den Farben hier.
Es wird langsam Mittagszeit und der Platz füllt sich. Handwerker holen sich beim Metzger ein paar Leberkassemmeln und kaltes Augustiner zur Stärkung, setzen sich dann auf eine der vielen Holzbänke entlang des Kinderspielplatzes und diskutieren die Charakterzüge ihrer Auftraggeber.
Auch die Berufsschule und das Gisela-Gymnasium haben nun Mittagspause und die Schüler stürmen auf der Suche nach etwas Essbarem den Elisabethmarkt. Die coolsten unter ihnen sitzen auf der hölzernen Umgrenzung des Spielplatzes und rauchen eine Zigarette, von der ihre Eltern wohl besser nicht erfahren sollten. Die anderen kaufen sich ihr Pausenbrot und versuchen meist noch etwas unbeholfen, mit dem bevorzugten Geschlecht anzubandeln.
Die Mittagspause neigt sich nun dem Ende zu und dies scheint ein Signal für die bieraffinen Schwabinger zu sein. Plötzlich füllt sich der “Wintergarten” am nordöstlichen Eck des Platzes. Der kleine Wirtsgarten gehört zum ehemaligen Milchhäusl, einem neoklassizistischen Pavillon, in dem der Arzt Carl Brendel Ende des 19. Jahrhunderts mit täglichem Milchausschank dem “Völkergift Alkohol” Herr zu werden versuchte. Wie man jedoch sieht, ohne Erfolg.
Alle Altersklassen finden sich an sonnigen Tagen wie heute hier im Biergarten ein. Unter den Kastanien sitzt eine Gruppe von jungen Frauen, die sich nicht zwischen dem “kleinen griechischen Salat” und den “Pommes mit ganz viel Mayo” entscheiden können (am Ende gewinnen die Kartoffelstäbchen). Geschäftsleute stoßen mit ihren Kollegen auf gelungene Geschäfte an. Die im Stimmengewirr erhörbaren Themen reichen von den taktischen Spitzfindigkeiten des Bayern-Trainers Guardiola bis hin zu historisch verklärten Geschichten aus der Zeit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie.
Den großen Anteil der Gäste machen Männer gesetzteren Alters aus, die ihre Frühstückshalbe hier nahtlos ins erste Feierabendbier übergehen lassen. Mit ihrem Erscheinungsbild wirken sie nur zu häufig wie eine Mischung aus Fritz von Thurn und Taxis und Rudi Assauer. Es herrscht zum Teil ein rauer Ton zwischen Ihnen und der feschen Bedienung. Zugereiste würden im ersten Moment einen unangenehmen Konflikt wittern, doch es ist die typisch münchnerische Grantelei, die sich schnell in ein beiderseitig verschmitztes Grinsen verwandelt.
Ich genieße noch die letzten Schlucke von meinem Radler und verlasse dann diese kleine Parallelwelt. Vor der Schauburg warte ich auf die Tram und bin überrascht von der Hektik und dem Lärm hier auf der Straße. Man kann sich sehr schnell an diese ruhige und gelassene Atmosphäre auf dem Elisabethplatz gewöhnen!